Aus gegebenem Anlass: Ellwangen - Dazu ein Text ... (Basis: taz-Artikel)
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Ein Text aus der Zivilgesellschaft
zu den Vorgängen in Ellwangen und den
Äußerungen des IM Seehofer
Der folgende Text stammt aus anonymer Feder, trifft aber einen Kern, den der geneigte Leser sich einmal vor Augen führen sollte.
Kasernierte Asylbewerber haben in Ellwangen versucht, die angeordnete Deportation eines Kumpels nach Italien zu verhindern, und sich mit der Polizei angelegt. Hier ist vorab ein kleiner Hinweis angebracht: Im Herbst hat das Verwaltungsgericht Oldenburg eine Abschiebung untersagt, weil der Kläger in Italien „bei einem Leben völlig am Rande der Gesellschaft obdachlos zu werden und zu verelenden“ droht.
Der Herr Seehofer bezeichnet den solidarischen wie verzweifelten Aufstand der Asylbewerber als einen „Schlag ins Gesicht der rechtstreuen Bevölkerung“. Ich hätte ein paar Fragen und Anmerkungen dazu.
1. Wer soll das sein, die „rechtstreue Bevölkerung“? Sind das nur diejenigen, die sich NIE einer Schwarzfahrt, einer den eigenen Interessen angepasste Steuererklärung, eines versuchten Versicherungsbetruges, einer üblen Nachrede (z. B. gegen einen Flüchtling), einer individuellen Auslegung der Straßenverkehrsordnung, eines nicht einvernehmlichen Beischlafs, NIE einer physischen oder psychischen Gewalttat usw. schuldig gemacht haben? Was ist mit verurteilten Straftätern, einsitzenden und entlassenen? Was ist mit Bediensteten der Kommunen, Länder und des Staates, für die Rechtsbruch bzw. –beugung zum Alltagsgeschäft gehört, und mit den Politikern, die zu diesem Verhalten sogar unter Missachtung der Grundrechte nötigen? Zieht man diese Leute ab, bleibt nicht mehr viel „rechtstreue Bevölkerung“ übrig! Ein erschreckend großer Teil der Bevölkerung sieht sich jedenfalls durch die Äußerung des Herrn Seehofers ganz und gar nicht rechtstreu zu widerwärtiger Hetze veranlasst und ruft sogar zu Gewalt gegen unbescholtene Menschen auf. Das könnte man auch „Anstiftung zu einer Straftat“ nennen.
2. Was genau versteht der Herr Seehofer unter „Rechtstreue“? Welchem Recht genau soll die Treue gelten? Ein Asylbewerber soll gegen seinen ausdrücklichen Willen, also unter Anwendung der Staatsgewalt, in ein Land verbracht werden, in dem für Menschen wie ihn – gerichtsnotorisch bekundet - weitgehende Rechtlosigkeit herrscht. Und das ist nur ein Beispiel unter vielen. Handelt ein Staat rechtstreu, wenn er Menschen zwangsweise in die Verelendung deportiert und dabei nicht einmal vor der Deportation Kranker zurückschrickt, deren Gesundung im Deportationsland nicht möglich ist, sie sogar aus ihrem Klinikbett abführen lässt? Handelt ein Staat rechtstreu, wenn er den behandelnden Ärzten Attestbetrug unterstellt? Handelt ein Staat rechtstreu, wenn er unter Missachtung unserer Grundrechte Familien auseinander reisst und Kinder von ihren Eltern trennt, bzw. ihre Zusammenführung verweigert? Handelt ein Staat rechtstreu, wenn er Menschen in Kriegsländer deportiert, wo sie massiver Lebensgefahr ausgesetzt sind? Handelt nicht vielmehr der- oder diejenige rechtstreu, die die staatliche Verletzung universaler Menschenrechte zu verhindern droht? Gebührt nicht Gemeinden, die Kirchenasyl gewähren, Piloten, die eine Deportation verhindern, jedem anständigen, widerständigen Menschen größtmögliche Anerkennung für ihre menschenrechtsgemäße Auslegung des Begriffs „Rechtstreue“?
3. Der Herr Seehofer suggeriert, dass sich die Bevölkerung von 23 randalierenden Asylbewerbern ins Gesicht geschlagen, also als Gewaltopfer fühlen muss. Er weiß genau, dass von den vielen Asylbewerbern, die in Deutschland leben, nur eine sehr geringe Minderheit trotz ihres erbärmlichen Lebens bei uns ernsthaft gewalttätig wird. Wo genau sieht der Herr Innenminister eine kollektive Körperverletzung, wo eine kollektive Gefährdung? Die Asylbewerber in Ellwangen waren nicht bewaffnet, niemand wurde durch Gewalt ernsthaft verletzt. Die Äußerung des Herrn Seehofer ist eine glasklare, pauschale Hetze gegen alle Asylbewerber; sie schürt Ängste, spaltet die Bevölkerung und trägt zu ihrer Verrohung bei. Ein solches Verhalten ist nicht „rechtstreu“, man könnte es auch „Volksverhetzung“ nennen. Auf jeden Fall ist es eine klare Absage an die Forderungen unserer Verfassung, auf die der Herr Seehofer einen Eid abgelegt hat.
Ich bin sehr, sehr zornig! Der Herr Seehofer ist im Besitz weitgehender Gestaltungsmacht. Statt sie zum Wohle Deutschlands einzusetzen, liefert er einen erschreckenden Beleg für ein reduziert-redundantes Weltbild, für ein einfaches Zurechtrücken komplizierter Wirklichkeiten und vor allem: für stagnierende Fremdenfeindlichkeit inklusive Gewaltanwendung. Er setzt bewusst auf reflexhafte Empörung, schrille Randale und letztendlich blinde Gewalt. Wer sich so menschenverachtend und manipulativ verhält wie er, dem sollte das Schicksal Gelegenheit geben, die Erfahrungen eines traumatisierten, heimatlosen, verzweifelten Flüchtlings selbst zu machen.
taz: Anwalt über Flüchtling in Ellwangen „Die Abschiebung ist rechtswidrig“
Schönen Tach noch!"
Jemand kann in der Sache die schlimmsten Lügen verbreiten mit den schrecklichsten Folgen. Tut er es scheinbar korrekt und justiziabel, ist ihm nichts anzuhaben. Das war immer schon so. Aber in der heutigen globalen Welt ist es eine Katastrophe!
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